Im neuen Kerncurriculum für Referendarinnen und Referendare im Land NRW, das ab 2.9.2016 gilt, wird von ihnen die selbstreflexive Frage erwartet:

Wie setze ich (digitale) Medien lernförderlich in meinem Unterricht ein?

Das „Digitale“ steht wirklich in Klammern und Medien an sich waren wohl immer schon unverzichtbar. Dort steht auch: Lehrerinnen und Lehrer – ob nur für sich oder für die Schülerinnen und Schüler bleibt offen –  …

integrieren moderne Informations- und Kommunikationstechnologien didaktisch sinnvoll und reflektieren den eigenen Medieneinsatz

Immerhin wird auch die Frage aufgeworfen:

Was muss ich über die Mediengewohnheiten meiner Schülerinnen und Schüler wissen?

Und an anderer Stelle:

Wie kann ich mit Kolleginnen und Kollegen unter Nutzung von digitalen Medien kooperieren, sowie Unterricht und Beratung kontinuierlich und systematisch weiterentwickeln?

Genau genommen stellt sich für mich hier als zentrale Frage, was dieses Curriculum will:

Muss ich als Unterrichtender digitale Medien nutzen oder sollen meine Schülerinnen und Schüler digitale Medien nutzen?

Meine These: Mit diesem Kerncurriculum wird von Referendaren keine Unterrichtsplanung erwartet, die den Einsatz digitaler Medien durch Schülerinnen und Schüler voraussetzt. Die handlungs- und produktionsorientierten Chancen, die Digitales bietet, müssen nicht ausgeschöpft werden. Auch die im Kerncurriculum sehr wohl geforderte Individualisierung von Unterricht muss nicht mit Hilfe digitaler Medien ausgeschöpft werden.

Dieses Kerncurriculum greift zu kurz, insbesondere dann, wenn man sich ansieht, was die Österreicher von ihren Lehrern verlangen.

Nett: Digitale Geräte in der Hand des Lehrers

In der Hand des Lehrers ist das digitale Medium nicht unbedingt mehr als Tafel, DVD-Player und Fernseher. Als Lehrer kann ich ganz wunderbar mit Hilfe der digitalen Tafel oder mit iPad und Beamer meine persönliche Präsentationskompetenz ausbauen. Ich kann Filme zeigen, die ich bei EDMOND heruntergeladen habe oder bei Youtube finde, ich kann lehrerzentriert Powerpoints zeigen, Schülerarbeiten fotografieren und für alle sichtbar korrigieren (naja), das Tablet als Dokumentenkamera nutzen, Arbeitsblätter ausfüllen. Ich kann mit OneNote oder mit Goodnotes Tafelbilder (vor oder während der Stunde) entwerfen, ich kann Fotos zeigen und Audios vorspielen, ich kann sogar auslosen lassen, welcher Schüler vorträgt. Alles für mich unverzichtbar und praktisch, allerdings hat bei diesem Szenario noch kein Schüler ein digitales Medium benutzt. 

Schön: Interaktive Nutzung digitaler Medien

Nutzt man im Unterricht digitale Medien, um mit den Schülerinnen und Schülern in interaktiven Austausch zu kommen, ist man einen Schritt weiter. Ob Kahoot oder Nearpod, eine Lernplattform wie Moodle oder die Kombination aus analogen und digitalen Medien mit Hilfe von QR-Codes: Lehrer planen interaktive Materialien und die Schülerinnen und Schüler können sie nutzen. Und: Auch Schülerinnen und Schüler können den Beamer nutzen, um eigene Ergebnisse zu präsentieren!

Schöner: Rezeptive Nutzung digitaler Medien – Recherche im Netz

Die erste Idee, die viele bei der Nutzung digitaler Endgeräte im Unterricht haben, ist die Recherche. Ein wichtiger Faktor, sicher. Es lassen sich Vokabeln nachschlagen (z.B. mit dem kostenlos Pons-Wörterbuch) und sogar vorlesen. Lexika für alle Fächer und Altersgruppen sind zur Genüge zu finden. Großartige Seiten wie das Lebendige Museum (DHM) können für den Oberstufenunterricht beinahe das Geschichtsbuch ersetzen. Klug durchdachte Angebote wie SEGU-Geschichte ermöglichen völlig neue Formen der Nutzung von Internetangeboten für den Unterricht. Das Smartphone wird zum Kulturzugangsgerät.

Am schönsten: Analytische Nutzung – Inhalte filtern, beurteilen, sinnvoll nutzen können

Im Geschichtsunterricht werden schon immer Quellen analysiert. Wichtige Schritte um Fälschungen zu erkennen, sind Bestandteil der Quellenanalyse (vgl. Daniel Bernsens Blogeintrag). In Zeiten „alternativer Fakten“ müssen Schülerinnen und Schülern dazu weiterhin und noch viel mehr ermutigt und befähigt werden.

Ob man ihnen den Umgang mit Wikibu zeigt, um Wikipedia-Artikel beurteilen zu können oder ob sie lernen mit Hilfe von Mimikama und anderer Anbieter Fake-News zu erkennen und Internetquellen angemessen beurteilen zu können – letztlich war das immer schon Ziel von (Geschichts-)Unterricht. Im übrigen halte ich es für eine gute Idee mit den Schülern selbst einmal News zu faken, z.B. mit dem Online-Wahn-Generator!

Am allerschönsten: Produktive Nutzung digitaler Medien – produktionsorientiert arbeiten

Ihr volles Potential entfalten digitale Medien, z.B. Tablets und Smartphones, wenn die Schülerinnen und Schüler selbst damit arbeiten. 

Sie erstellen mit Hilfe einer Tabellenkalkulation im Geschichtsunterricht aus Zahlenreihen Grafiken und werten diese anschließend aus. Es können interaktive Erklärfilme z.B. mit Touchcast Studio erstellt werden, die für die Abiturvorbereitung später genutzt werden können. Mit Hilfe einer Greenscreen (siehe Bild und Beitragsbild) kann man sich einfach in historische Zusammenhänge versetzen. Die Dokumentation der eigenen Arbeit ist mit Hilfe von Portfolios (z.B. Mahara), aber auch in Blogs und Wikis möglich. Auch digitale Bücher, mit Videose und Audios angereicherte Bücher lassen sich z.B. mit dem BookCreator leicht erstellen. Hier gibt es tausende Anwendungen und Ideen!

Erst auf diese Weise entfaltet die Nutzung digitaler Medien im Unterricht ihr volles Potential: in der Hand von Schülerinnen und Schülern!
 

 

 

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